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Viele Zuzügler in der Hauptstadt kämpfen mit Vorurteilen
  2017-08-03 15:13:01  cri
Hatten Sie in diesem Jahr schon einmal ein gemeinsames Abendessen mit Ihren Kollegen oder Freunden? Sind diejenigen, mit denen Sie oft zu Abend essen, ihre Kollegen? Holen Sie oft Ihre Freunde vom Bahnhof oder Flughafen ab, oder bringen Sie sie dorthin? Und sie gehen auch nicht in die Wukesong-Arena, um die Beijings Ducks zu unterstützen, das Basketballteam der Hauptstadt? Oder Beijing Guo'an, das Fußballteam?

Wenn Sie alle diese Fragen mit „Ja" beantworten können, in erster Generation in Beijing leben, kein geerbtes Vermögen hier besitzen und auch nicht planen, ins Ausland zu gehen, dann haben Sie eigentlich kein richtiges Leben in Beijing. Sie tun bloß so, als ob. Zumindest wenn es nach einem Artikel geht, der vor Kurzem auf Chinas Social-Media-Plattform WeChat gepostet wurde.

Der Artikel mit dem Titel „20 Millionen Menschen tun bloß so, als hätten sie ein Leben in Beijing" löste eine hitzige Debatte aus. Er wurde innerhalb von zwei Tagen von fünf Millionen Menschen gelesen. Im Grunde vertritt der Autor die Position, Chinas Hauptstadt gehöre den Einheimischen. Neu Zugewanderte, die in der Stadt kein Vermögen ererbt haben, seien dazu verdammt, nach einer Eigentumswohnung zu streben. Diejenigen, die dieses Ziel erreichen, könnten in der Stadt bleiben, wohingegen die Anderen früher oder später in ihre Heimatstadt zurückkehren müssten. Angeblich täten sie bloß so, als lebten sie in der Hauptstadt.

Natürlich sind einige Beobachtungen des Autors korrekt. Doch die offensichtlichen Fehleinschätzungen in dem Artikel können nicht übersehen werden. Die Tatsache, dass Beijinger kaum noch Zeit haben, Freunde am Bahnhof oder am Flughafen abzuholen, unterstreicht die schwindende Bedeutung sozialer Beziehungen für die Beijinger Bevölkerung. Und Menschen, deren Herz an ihrer Heimatstadt hängt, lehnen deswegen noch lange nicht den Lebenswandel der Hauptstadt ab.

Als Beijinger, der in erster Generation in der Metropole lebt, beantworte ich die Fragen auch mit „Ja", doch meine Interpretation der Dinge ist eine gänzlich andere als die des Autors. Es stimmt, ich habe mit meinen Freunden nur einmal oder zweimal im Jahr gemeinsam Abendessen, doch wir reden fast jeden Tag miteinander auf WeChat und verabreden uns mindestens einmal jährlich zu gemeinsamen Ausflügen. Menschen, die in anderen Megastädten leben wie Shanghai, London oder New York, haben das gleiche Gefühl der Entfremdung.

Ich habe in den vergangenen Jahren nicht viele Touristenattraktionen der Hauptstadt besucht, doch das bedeutet nicht, dass ich sie nicht bewundern würde. Mich fasziniert das Palastmuseum, wenn der erste Winterschnee gefallen ist. Dann statte ich der Anlage gelegentlich einen Besuch ab. Meine Frau ist eine gebürtige Beijingerin und ich komme aus der Provinz Sichuan. Für meinen Sichuaner Gaumen sind viele der klassischen Gerichte der Beijinger Küche ziemlich geschmacksneutral. Doch ich kann jederzeit mein eigenes Essen kochen oder in eines der zahlreichen Sichuan-Restaurants gehen, die es in der Hauptstadt gibt.

Meine Frau spricht den Beijing-Dialekt sehr schnell. Für Menschen von außerhalb ist er manchmal schwer zu verstehen. Doch meistens verzichtet sie darauf, denn viele unserer Freunde sind keine angestammten Beijinger. Hochchinesisch, hierzulande Putonghua genannt, ist die Sprache, in der wir miteinander kommunizieren. Sie ist auch eine der verbindenden Kräfte Chinas.

Die galoppierenden Immobilienpreise sind für viele Einwohner Beijings ein Grund zur Sorge. Doch in vielen Metropolen des Landes haben die Menschen mit steigenden Kosten zu kämpfen. Wir leben deshalb in großen Städten, weil die Arbeitsbedingungen dort besser sind, die soziale Umgebung fairer ist, eine vielfältigere kulturelle Atmosphäre vorherrscht und unsere Kinder dort bessere Bildungschancen haben. Mit den hohen Immobilienpreisen, den langen Pendelzeiten und der Luftverschmutzung müssen wir halt leben. Aber glaubt mir, wir tun nicht bloß so, als würden wir in Beijing leben.

 

Quelle: german.china.org.cn

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