Aktion der Deutschen Botschaftsschule Peking: Prominente Vorleser machen Lust aufs Lesen

2019-11-29 16:12:00

Muss sich auch der kleinste Bär im Wald seinen Honig selbst suchen? Ist ausgerechnet ein Hobbit für Großes bestimmt? Was will der kleine Herr Tod beim miesen Hühnerbaron und wie gehen wir eigentlich mit dem Tod um? Aufmerksam hörten die Schüler der Deutschen Botschaftsschule Peking (DSP) den Prominenten aus Wirtschaft, Politik, Medien und Bildung zu, die vorlasen und Antworten gaben, aber auch bewusst Fragen offenließen. Mit spannenden Geschichten machten die 18 Vorleser, zu denen auch vier Schul- und Elternvertreter gehörten, Lust auf Bücher und das Lesen.

Die deutsche Schule, deren Angebot vom Kindergarten bis zum Abitur reicht und die für interessante Aktionen bekannt ist, beteiligt sich seit 2011 am Bundesweiten Vorlesetag, dem mit inzwischen rund 700.000 Teilnehmern größten Vorlesefest in Deutschland. Zunächst lasen nur Eltern in der DSP vor.

2014 begann Dr. Katja Schmidt-Wistoff, die Schulbibliotheksleiterin, damit, hochrangige Vertreter von Botschaften, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Medien und anderen Unternehmen sowie Schriftsteller anzuschreiben, die in Beijing leben. „Damit wollte ich die Bedeutung dieses Tages besonders hervorheben“, sagte sie. Das gelang ihr und viele der Prominenten waren inzwischen schon mehrfach bei „Pekinger Prominenz liest in der DSP“ dabei.


Christian Y. Schmidt las erstmals aus seinem „Der kleine Herr Tod".

Eine Weltpremiere erlebten diesmal die Schüler der Klasse 6c. Denn diesmal las Christian Y. Schmidt aus seinem noch unveröffentlichten Buch „Der kleine Herr Tod“ vor. „Es erscheint erst im März 2020 bei Rowohlt. Deshalb habe ich aus den Druckfahnen vorgelesen“, verriet der deutsche Journalist und Autor, der seit 2005 mit seiner aus Beijing stammenden Frau in der chinesischen Hauptstadt lebt.

Das Buch sei eigentlich für sämtliche Altersgruppen gedacht, „für alle, die mal sterben müssen.“ Es sei allerdings sehr anspielungsreich und beziehe viele Inspirationen aus der griechischen, aztekischen und anderen Mythologien sowie dem Death Metal. Er sei sich nicht sicher gewesen, ob das auch Elf- bis Zwölfjährige verstehen würden. Schmidt: „So war das Vorlesen für mich auch ein großer Test. Ich schätze, ich war deshalb auch am aufgeregtesten von allen Vorlesern.“

Den Kindern habe er erzählt, dass sie weltweit das erste Publikum seien, das dieses Buch zu hören bekomme: „Das hat ihnen natürlich gefallen.“ Er habe ihnen auch erzählt, dass es in dem Text einige Anspielungen gebe, die sie vielleicht nicht verstünden, dass das aber nicht so wichtig sei.

Die Reaktionen der Kinder seien dann aber überwältigend gewesen: „Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass sie so begeistert reagieren würden. An verschiedenen Stellen habe ich auch am Lachen gemerkt, dass die Kinder mehr verstanden haben, als ich zunächst gedacht hatte. Sie hätten es am liebsten gehabt, wenn ich noch weiter gelesen hätte. Und die Mehrheit hat gesagt, dass sie sich ‚Der kleine Herr Tod‘ auf jeden Fall kaufen wollen. So etwas hört man natürlich als Autor am liebsten.“

Hat das Buch eine Botschaft? „Ja. Die wesentliche: Es kommt nicht so sehr darauf an, wie lange dein Leben dauert, sondern was Du aus ihm machst.“

Schmidt, der von 1989 bis 1995 Redakteur der Satire-Zeitschrift Titanic war, gehörte von Anfang an zu den prominenten Vorlesern. Ihm hat es auch diesmal wieder sehr gut gefallen: „Es gibt wohl kein besseres Publikum, als Kinder.“ Zuvor habe er aus Büchern anderer Autorinnen und Autoren vorgelesen. „Ich hatte bis dahin ja nur Erwachsenenliteratur geschrieben, kein Kinderbuch für Erwachsene.“ Er schätze Kinder als Publikum auch deshalb, „weil sie sehr kritisch und aufmerksam sind. Wenn im Text ein Fehler ist, dann fällt ihnen das sofort auf. Und wenn ihnen ein Buch missfällt, dann sagen sie einem das auch und nennen dafür meistens gute Gründe.“

Gabriele Gil-Feigl, die Gesandte der Österreichischen Botschaft Peking, las in der Klasse 1b aus dem Buch „Der Zauberer Barbeutzebutz“ vor. Am Wochenende vor dem Vorlesetag habe sie das Buch, in dem es um das Thema „Sauber machen“ gehe, gemeinsam mit ihrem siebenjährigen Sohn Probe gelesen: „Es ist in Reimen geschrieben und wir haben dabei beide immer wieder herzlich gelacht.“


Gabriele Gil-Feigl verzaubert die Erstklässler.

Die Schüler seien begeistert gewesen – „sicherlich auch weil während meines Vorlesens von einer Kollegin ein Bilderbuchkino an die Wand projetziert wurde.“ Dadurch habe sich nach dem Vorlesen auch eine sehr angeregte Diskussion unter den Kindern entwickelt.

Gabriele Gil-Feigl sprang im Anschluss für einen erkrankten Vorleser in der Klasse 5c ein. „Dort habe ich die ersten beiden Kapitel des aus dem Finnischen übersetzten Buches ‚Kleiner Mond und Fliegendes Pferd‘ über einen kleinen Jungen aus der Mongolei, der nach China aufbricht, vorgelesen.“

Für sie persönlich sei dieses Buch von Irja Rane etwas ganz Neues gewesen, erzählte sie: „Ich werde es mir sicherlich nochmals holen, um diese Geschichte zu lesen, der Sprachstil hatte etwas Faszinierendes.“

Ihr Sohn besucht in der DSP die 2. Grundschulklasse: „Deshalb wurde ich im Vorjahr auf den Bundesweiten Vorlesetag aufmerksam gemacht.“ Sie schätze die Initiative, da sie Kindern und Jugendlichen das Thema Lesen, Bücher, Sprache sehr ansprechend näher bringe. Damit werde Kindern und Jugendlichen auch eine Alternative zu Computer, TV und sozialen Medien geboten.

Sie betont: „Ich kenne keine vergleichbare österreichische Initiative. Daher Gratulation an alle, die dem Bundesweiten Vorlesetag jedes Jahr aufs Neue Leben geben.“

Ruth Schimanowski, die 1999 als Physikerin mit dem DAAD Stipendium „Sprache und Praxis in China“ nach Peking kam und seitdem mit ihrem Mann und vier Kindern in der chinesischen Hauptstadt lebt, las „Attila, Loolagax und der Adler" von Nichola McAuliffe vor. „Ich habe einer ersten Klasse vorgelesen. Ich wollte deshalb ein kurzweiliges Buch, zu dem ich gleich zu Beginn die Kinder etwas fragen konnte. Dafür eignen sich Bücher, in denen die handelnden Personen Tiere sind.“

Über die Botschaft des Buches sagte sie: „Es ist völlig in Ordnung, anders zu sein als die anderen. Und auch anders als die Erwartungen der anderen.“

Die Zuhörer seien trotz ihres jungen Alters sehr konzentriert und engagiert gewesen. „Sie wollten eigentlich auch noch das zweite Kapitel vorgelesen bekommen.“ Schimanowski ist „jedes Mal“ mit bei der Vorleseaktion dabei. Zuhause lese jedoch ihr Mann mehr vor, weil die Kinder ihm lieber zuhörten. „Er ist einfach ein noch besserer Erzähler und schläft nicht ganz so schnell beim Vorlesen ein wie ich.“


Ruth Schimanowski, zukünftige Leiterin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Beijing, liest den Schülern der Klasse 1c vor.

Karin Benkelmann-Zhang vom Goethe-Institut China las der Klasse 4a aus „Ronja Räubertochter“ vor. „Es ist ein Buch über Mut, Freundschaft, Stolz, Familienbande und die Selbsterfahrung in der Natur. Da ist alles drin, was man sich als Kind – und als Erwachsener – wünscht.“ Das Buch erzähle davon, wie wichtig Mut, das Einstehen für Freunde und ein fairer Umgang mit anderen Menschen seien. Und es zeige, dass die Liebe zu Menschen stärker sei als Stolz.

Zum Ablauf der Lesung sagte sie: „Ich habe die Kinder gefragt, ob sie wissen, warum ich heute bei ihnen bin. Dann habe ich mich und das Goethe-Institut kurz vorgestellt und habe den Anfang von Ronja Räubertochter sowie anschließend ein spannendes Kapitel aus der Mitte des Buches vorgelesen. Zwischendurch habe ich auch zwei Bilder aus dem Buch gezeigt, das hat den Kindern sehr gefallen.“ Sie habe die Kinder nach deren Gefühlen, denen der Protagonisten, Vater und Sonja, und nach ihrer Lieblingsperson gefragt. „Das war sehr spannend und da die Kinder im Deutschunterricht gerade Adjektive behandeln, sehr passend. Ich war sehr beeindruckt vom Wortschatz der Kinder und ihrem klaren unverblümt direkten Ausdrucksvermögen.“


Karin Benkelmann-Zhang vom Goethe-Institut liest „Ronja Räubertochter“ vor.

Sie habe diese Stunde wirklich genossen. „Die Kinder waren sehr interessiert, neugierig, konzentriert und haben sich sehr aktiv beteiligt. Es war sehr spannend, ihre Meinung zu den Hauptpersonen zu hören.“ Viele seien neugierig gewesen, zu erfahren, wie die Geschichte weitergehen könnte.

Arnold Obermayr, der Leiter des Kulturforums der Österreichischen Botschaft, las „Das Gespenst von Canterville“ in der Klasse 6a vor. Das Buch habe er noch aus dem Schul-Englischunterreicht in schöner Erinnerung gehabt.


Arnold Obermayr erzählt eine Geistergeschichte

Die Kernbotschaft des Buches beschrieb er so: „Man sollte verzeihen können und Mitleid haben, auch mit Menschen, die grundsätzlich keine Guten sind.“

Natürlich sei es nicht leicht, Kinder aus der 6 Klasse für 30 Minuten zum Zuhören zu bringen, erklärte er: „Wenn ich mich zurückerinnere, wie ich in dem Alter war – vollstes Verständnis.“ Dennoch sei es am Ende ganz gut gelungen und die Kinder hätten viele interessante Fragen gestellt. Er lese sehr gerne vor und sei nun schon zum dritten Mal dabei.

Clemens Treter, Leiter des Goethe-Instituts Peking, lass der Klasse 5b aus „Der kleine Hobbit“ vor, „weil das Buch den Einstieg in ein großes fantastisches Universum eröffnet und mich selbst als Kind fasziniert hat.“ Vieles an dieser Welt möge aus einer reifen, kritischen Perspektive betrachtet fragwürdig sein, doch erzähle Tolkien, im ‚Hobbit‘ und im ‚Herrn der Ringe‘ die archetypische Heldenreise auf abenteuerliche und humorvolle Weise wieder neu. „Schade nur, dass Frauen und Mädchen in den Büchern nur so eine marginale Rolle spielen. Das ist definitiv nicht mehr zeitgemäß."


Clemens Treter begeisterte die Kinder mit Zwergen und Zauberern.

Mit den Kindern habe er ein wenig über Hobbits, Zwerge und Zauberer gesprochen und dann gelesen.

Er schätze am Hobbit besonders, „dass es dem Roman gelingt, ein ganz eigenes Reich zu kreieren und die Leser die Landschaften und Figuren in ihrem Kopf entstehen lassen können“. Zudem rege das Buch zum Nachdenken an.

Am meisten habe ihn in seiner Stunde beindruckt, „wie konzentriert die Kinder zugehört haben, es schien mir fast, dass sie immer konzentrierter wurden und sogar den recht langen gereimten Passagen sehr aufmerksam zugehört haben“.

„Der kleinste Bär im Wald“ hieß das Buch, welches die Germanistik-Professorin Dr. Pan Yaling von der University of International Business and Economics in Beijing in der Vorschule der DSP vorlas. „Typisch Lehrerin“ habe sie ihre Vorlesung „ein bisschen didaktisch vorbereitet“. Sie habe den Vorschülern erzählt: „Ich komme aus Sichuan und da leben die Pandabären.“ In der Präsentation zur Lesung seien zuerst die Pandabären zu sehen gewesen.


Prof. Dr. Pan Yaling spielt mit den Kindern nach ihrer Lesung.

Nach der Lesung habe sie mit den Vorschülern noch ein Rollenspiel veranstaltet mit zwei Stofftier-Bären, mit denen ihr Sohn als Kind gespielt hatte.

Den Kindern habe die Geschichte sehr gut gefallen. „Sie konnten das Gesetz aus dem Buch gut nachvollziehen: Jeder Bär muss sich seinen Honig selbst suchen. Das ist das Gesetz des großen Waldes.“ Sie habe den Kindern die folgende Botschaft vermitteln wollen: „Alle haben die Chance, glücklich zu sein, aber dennoch muss man sich seinen Honig selbst suchen.“

Weitere Informationen, mehr Bilder und eine Liste aller Vorleser finden sich auf der Seite der Schule unter:

http://www.dspeking.net.cn/

Text: Nils Bergemann

Fotos: Privat

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